Hallo liebe Mitangeklagten,
gestern hatte ich (Ü60) meinen Termin "Vorladung als Beschuldigter" bei der hiesigen Kriminalpolizei. Vorwurf wie bei jedem wohl §96 Nr.5 und § 95 Abs. 3.
Obwohl mich der ermittelnde Beamte zum "Nichtaussagen" bewegen wollte, machte ich dem jungen Mann (etwa 25 J.) klar, dass ich sehr wohl und sehr gerne mich zur Sache äußern wolle. Es wurde eine sehr lustige Fragerunde, im Fachjargon heißt so etwas Vernehmung.
Ich hatte im besagten Zeitraum eine Bestellung bei sutrapills getätigt - ich glaube ein paar Tadas und wenn ich mich recht erinnere, irgend ein zusammengeschnürtes Paket, der Rechnungsbetrag war auf jeden Fall unter 100,00 EUR.
Weil der ermittelnde Beamte wohl damit gerechnet hat, dass ich keine Aussage zur Sache machen werde, war er auch völlig unvorbereitet und wie er mir später beim Hinausbegleiten beichtete, war es auch sein erster Fall in Bezug auf das AMG, das hätte ich wohl bemerkt.
Er wusste zu Beginn auch gar nicht um welche Art von Medikamenten es sich handelt. In der Ermittlungsakte steht nur etwas von "nicht zugelassenen Medikamenten. Mit 25 wusste ich auch noch nicht was Kamagra, Vidalista und Siligra ist.
Es stellte sich sehr schnell heraus, dass dem jungen Mann die Vernehmung peinlicher war als mir. Meine Frage ob er auch "etwas" nehme, weil Man(n) von Viagra einen roten Kopf bekommt, hat er auf jeden Fall vehement verneint und die Birne wurde noch röter.
1. Frage des Beamten: Wissen sie weshalb sie vorgeladen wurden?
Antwort von mir: Ich habe die beiden Paragraphen bei Google eingegeben und bin dabei auf den Fall Sutrapills gestoßen und weil ich dort auch mal was bestellt habe, denke ich, es hat etwas damit zu tun.
Daraufhin fing der Kripoist an, in der etwa 10 - 12 seitigen Ermittlungsakte herumzublättern, fragte seinen ebenso jungen Kollegen, am Nebentisch:
Ist das jetzt eine Strafsache oder eine Ordnungswidrigkeit? Das ginge anscheinend nicht aus den Unterlagen hervor. Zu zweit studierten Sie dann die Ermittlungsakte und fanden dann irgendwo den Punkt wo die Staatsanwaltschaft, die die Liste bekommen hat, die regionalen Staatsanwaltschaften mit den Ermittlungen beauftragt hat. Der hier zuständige Staatsanwalt hat diese Akte aber als Ordnungswidrigkeit an die Kripo zu Ermittlung weitergegeben.
Nachdem dies geklärt war fing der Polizist an meine Aussage aufzunehmen. Ich möchte jetzt hier nicht alle Einzelheiten aufzählen, nur das was auch für euch wichtig sein könnte.
Zuerst mal stellte ich die Frage: Was und wieviel ich denn bestellt hatte, weil ich mich nach fast einem Jahr, wirklich nicht mehr daran erinnern kann?
Wieder planloses rumblättern, dann gab mir der Beamte die Ermittlungsakte und sagte: "Hier schauen sie mal selbst, ich kann da nichts finden"
(Das nennt man Akteneinsicht und dafür zahlt man 261,00 EUR beim Anwalt)
Leider fehlte mir die Zeit um die Akte etwas genauer zu studieren, aber eines erkannte ich auf den ersten Blick, mit dieser Sache begibt sich die Staatsanwaltschaft auf sehr dünnes Eis. Zuvorderst war eine Liste mit der Überschrift: Liste der bestellten Medikamente mit dem Verzeichnis aller von Sutrapills angebotenen Artikeln. Zuerst dachte der Beamte das wären die Medikamente die ich bezogen hätte. Dauerte etwas bis ich ihm klar gemacht habe, dass Vilitra 20mg keine Tablette ist die 20mg wiegt sondern eine Tablette gegen ED mit 20mg Wirkstoffgehalt -hier Vardenafil- ist.
Es folgten mehrere Seiten Allgemeininfo und Paragraphenhinweise die ich hier leider nicht mehr wiedergeben kann. Ganz hinten war dann meine Bestellung in Textform angegeben. Dort waren Kamagra und andere Präparate aufgeführt, die ich mit Sicherheit nie bestellt und bezogen habe. Auch die Anzahl der gelieferten Tabletten/Pillen ist etwa drei mal so hoch, wie das was ich noch in Erinnerung habe.
Die Original erbeutete Liste und wie sie ausgewertet wurde ist nicht aus der Ermittlungsakte ersichtlich, auch nicht, dass die Liste aus einer strafbaren Handlung stammt und somit gar nicht verwertbar ist.
Jetzt legte ich noch das Tütchen mit dem Restbestand aus meiner Nachttischschublade auf den Tisch, das dann zur Beweissicherung sichergestellt wurde. Nun kam noch ein älterer (ca. 40J) Kollege aus dem Nachbarzimmer hinzu (ich vermute mal der Vorgesetzte) und bestätigte meine Bedenken gegen die Rechtmäßigkeit dieser Beschuldigung.
Fazit:
Meiner Meinung nach wird niemand hier aus dem Kreis der Beschuldigten in dieser Sache verurteilt werden. Davon abgesehen, dass diese durch kriminelle Handlung erworbene Tabelle/Liste nicht beweistauglich verwertbar ist, scheint auch noch die Auswertung vollkommen fehlerhaft zu sein.
Jeder zuständige Staatsanwalt/Staatsanwältin wird sich weigern damit vor Gericht zu ziehen.
Die Rechtsanwälte wittern hier ein gutes Geschäft, wohl wissentlich, dass ein vor Gericht landender Fall 100%ig gewonnen wird.
Aber Vorsicht! Wie oben schon beschrieben kostet alleine die Akteneinsicht durch einen Anwalt schon 261 Euro mit Beratung und einem Brief sind da schnell 500-600 Euro zusammen die der Beklagte dann aus eigener Tasche (Sofern keine Rechtschutzversicherung besteht)bezahlen muss, auch wenn die Sache wegen Geringfügigkeit oder Mangel an Beweisen, niedergelegt wird.
Es muss jeder Betroffene selbst wissen was nun zu tun ist. Ich hoffe aber etwas die Angst und vor allen Dingen die Ungewissheit genommen zu haben.
In diesem Sinne wünsche ich euch allen Standfestigkeit -und das nicht nur im Falle von Sutrapills- und ein unbeschwertes Wochenende.