Kein Hochgefühl beim Orgasmus - Ursache evtl Antidepressivum Sertralin

Hat jemand einen Rat für mich?
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Profirudi
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Re: Kein Hochgefühl beim Orgasmus

#11 Beitrag von Profirudi »

Muffel hat geschrieben: Mittwoch 21. August 2019, 01:11
Um es kurz zu machen: wenn das Auftreten deiner Symptome mit der Einnahme und/oder dem Absetzen zusammenfällt, kann es sehr gut damit zusammenhängen
Eine Frage an dich:
Bleibt das jetzt? Oder normalisiert sich das wieder, wenn man Sertralin absetzt?

Muffel
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Re: Kein Hochgefühl beim Orgasmus

#12 Beitrag von Muffel »

Diese serotonergen Syndrome können bleiben - gehen aber oft weg. Wie lange das auch nach Absetzen bleibt ist schwer zu sagen. Wie auf wiki zu lesen zt Wochen, Monate oder sogar Jahre. Letzteres würde ich aber eher vermuten, wenn man jahrelang hohe Dosen eingenommen hat.
Es wäre gut, dass mal mit einem vertrauensvollen Neuro/Psychiater mal zu besprechen... es gibt vll Alternativen und SSRIs werden zwar gerne verschrieben (ich hoffe, es war nicht der Hausarzt - Psychopharmaka gehören von obigen Ärzten verschrieben), ihre Wirkung ist aber strittig. Außerdem gibt es nicht nur ein Präparat, es gibt viele und einige sind besser verträglich

Ich würde mir mal Sorgen machen. Mach ein Termin aus und klär das ab!

Monkey Island
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Re: Kein Hochgefühl beim Orgasmus

#13 Beitrag von Monkey Island »

Hallo Profirudi,

ich habe Deinen Post leider erst gerade gelesen.

Sofort nach dem Lesen Deines Posts wollte ich Dich fragen, ob Du Antidepressiva nimmst und wenn ja, welche. Beim kompletten Lesen des Threads konnte ich nun sehen, dass Du selbst darauf gekommen bist, dass es am von Dir eingenommenen Antidepressiva Sertralin liegen könnte.

Ich kann Dir nur sagen: ES LIEGT DEFINITIV AM SERTRALIN!!!

Mein Vater ist, als ich 32 war, überraschend verstorben. Kurz danach hat meine Mutter die Diagnose unheilbarer metastasierter Brustkrebs bekommen. Habe Sie bis zum Schluss zu Hause gepflegt. Das hat mir den Boden unter den Füßen weggezogen. Ich habe die Zeit danach Cipralex genommen - ebenfalls ein SSRI - und hatte die EXAKT gleichen Nebenwirkungen wie Du. Ich kam nur schwer zum Orgasmus und wenn er dann mal da war, war es ein Abspritzen ohne jegliches Hochgefühl.

Das ist eine ganz typische Nebenwirkung von SSRIs, wird von den meisten Ärzten aber heruntergespielt.

Auch ich wurde zunächst vom Arzt belächelt ("das ist alles psychisch").

Nach mehrmaligen Arztbesuchen hat mir der Hausarzt dann Venlafaxin, ein SNRI, verschrieben. Hatte aber leider die exakt gleichen Nebenwirkungen. War für mich auch zu erwarten, da dieser Wirkstoff ja eine Kombination aus Serotonin- und Noradrenalin-Wiederaufnahmehemmer ist. Danach habe ich den Arzt gewechselt und bin zu einem richtigen Psychologen.

Der nahm mich sofort ernst und sagte mir, dass dieses Problem viele Patienten haben. Die Dunkelziffer ist viel höher also die Prozentangaben auf dem Beipackzettel, weil das Thema immer noch sehr schambehaftet ist.

Er hat mir in der Folge zunächst Moclobemid verschrieben, später bin ich dann zu Bupropion gewechselt.

Nach dem Wechsel weg von den SSRI und SNRI waren die von von Dir angesprochenen Nebenwirkungen SOFORT weg. Ich hatte wieder genau die gleichen intensiven Gefühle beim Orgasmus wie zuvor.

Inzwischen nehme ich nach dem Tod meiner Mutter keine Antidepressiva mehr ein.

Was ich allerdings sagen muss, ist, dass sowohl Cipralex wie auch Venlafaxin sehr gut gegen meine Ängste und meine Verzweiflung geholfen haben - mehr als Moclobemid und Bupropion.

Ich kann Dir daher nicht einfach raten, dass Du Sertralin weglässt, weil ich nicht möchte, dass Du Dir etwas antust oder einen schönen Orgasmus gegen eine verzweifelte Stimmung tauscht.

Geh zu einem guten Arzt und rede mit ihm über Alternativen. So lange Du jedenfalls Sertralin nimmst, wirst Du die von Dir beschriebenen Probleme nicht loswerden.

Ich weiß auch, dass es im Internet ein paar Horrormeldungen von Leuten gibt, bei Denen diese Nebenwirkungen auch noch lange nach dem Absetzen angehalten haben. Das würde ich allerdings nicht ganz ernst nehmen.

Die SSRI wirken ja noch ein paar Tage nach dem Absetzen nach, aber bei mir waren spätestens nach einer Woche die von Dir beschriebenen Nebenwirkungen komplett weg.

Wenn Du noch Fragen hast, kannst Du mir gerne schreiben. Ich werde Dir jede Frage so gut wie möglich beantworten, weil ich Deine Probleme sehr gut nachvollziehen kann.

Viele Grüße!

Profirudi
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Re: Kein Hochgefühl beim Orgasmus - Ursache evtl Antidepressivum Sertralin

#14 Beitrag von Profirudi »

Monkey Island hat geschrieben: Samstag 24. August 2019, 11:23 Ich kann Dir nur sagen: ES LIEGT DEFINITIV AM SERTRALIN!!!
Da bin ich froh das ich jetzt jemanden gefunden habe, der etwas darüber weiß. Das gibt mir Hoffnung.
Hattest du auch Erektionsschwierigkeiten? Oder keine Lust auf Sex?

Ich habe heute Sex gehabt (ging nur mit Hilfe von Levitra, weil sonst der Schwanz nicht einmal richtig steif wurde) und bin nicht zum Orgasmus gekommen. Also der Schwanz war total gefühlsumempfindlich. Aber das ist sicher nicht am Levitra gelegen. Das ist er sonst auch.

Beim Masturbieren muss ich da schon fester hingreifen das es geht. Daher Masturbiere ich nicht mehr. Weil das ja auch unempfindlich macht.

Ich kann dir leider keine PN schreiben, weil ich dazu zu wenig Beiträge habe. Aber vielleicht kannst du mir per PN eine Kontakt E-Mail von dir senden. Ich wäre an einem Erfahrungsaustausch interessiert.

Ich war heute auch beim Arzt. Wir werden Sertralin ausschleichen. Mal schauen wie es mir dann geht. Ich hoffe mein Zustand normalisiert sich wieder. Weil nur mit Pillen Sex haben zu können, ist echt schei..e. Ich habe heute noch ein Aspirin nehmen müssen, wegen der NW (Kopfweh). Ich hoffe ich kann nach dem absetzen von Sertralin wieder so wie früher.

Monkey Island
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Re: Kein Hochgefühl beim Orgasmus - Ursache evtl Antidepressivum Sertralin

#15 Beitrag von Monkey Island »

Hallo nochmal,

sorry, bin im Urlaub. Daher die Zeitverzögerung.

Ich kann Dir natürlich auch per PN antworten, wenn Du das wünscht. Allerdings sind wir ja anonym hier unterwegs und ich denke, es kann vielleicht anderen auch helfen, wenn wir uns "öffentlich" schreiben. Falls Du das aber nicht wünscht, dann schicke ich Dir gerne eine PN.

Du hast gefragt: Hattest du auch Erektionsschwierigkeiten? Oder keine Lust auf Sex?

Ich hatte schon Lust auf Sex. Aber der Sex hat keinen Spaß mehr gemacht. Mein Penis war total unempfindlich. Es war nicht daran zu denken, jemals zu kommen. Selbst bei der Selbstbefriedigung war es ein totaler Kraftakt, zum Orgasmus zu kommen. Ich musste viel stärker, viel schneller und viel länger an meinem Teil rumreißen, um überhaupt in die Nähe eines Orgasmus zu kommen. Und wenn ich es dann tatsächlich geschafft hatte, dann war da überhaupt keine Befriedigung. Einfach Abspritzen ohne das schöne Gefühl, ohne die Gipfelerfahrung, wie wenn mein Schwanz die Verbindung zu meinem Körper verloren hätte.

Ich hatte nach dem Absetzen von Cipralex auch etwa 2 Wochen lang Kopfschmerzen. War aber nicht so schlimm.

Du musst keine Angst haben. Nach dem Absetzen läuft alles wieder wie geschmiert und die schönen Gefühle und die Empfindlichkeit am Schwanz kommen wieder zurück.

italia
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Re: Kein Hochgefühl beim Orgasmus - Ursache evtl Antidepressivum Sertralin

#16 Beitrag von italia »

ich war wegen der Anti Depressiva, habe verschiedene probiert und es waren alle schlecht, am schlimmsten Remeron , immer impotent, es funktionierte nicht mal mit 3 Kamagra jelly damals, unbedingt nie mehr anti Depressiva schlucken , machen sogar sehr dick , Achtung Lyrica Pregabalin auch.

Profirudi
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Re: Kein Hochgefühl beim Orgasmus - Ursache evtl Antidepressivum Sertralin

#17 Beitrag von Profirudi »

italia hat geschrieben: Dienstag 27. August 2019, 15:52 ich war wegen der Anti Depressiva, habe verschiedene probiert und es waren alle schlecht, am schlimmsten Remeron , immer impotent, es funktionierte nicht mal mit 3 Kamagra jelly damals, unbedingt nie mehr anti Depressiva schlucken , machen sogar sehr dick , Achtung Lyrica Pregabalin auch.
Das heißt dein Schwanz war auch nicht mehr richtig steif oder ist gar nicht steif geworden?

Ist bei dir jetzt wieder alles normal?
Monkey Island hat geschrieben: Dienstag 27. August 2019, 12:10 Du musst keine Angst haben. Nach dem Absetzen läuft alles wieder wie geschmiert und die schönen Gefühle und die Empfindlichkeit am Schwanz kommen wieder zurück.
Na hoffentlich.

Nochmal die Frage: Hattest du auch Erektionsschwierigkeiten oder war dein Schwanz steif? Bei mir wird er nicht mehr so richtig hart und ich habe Probleme und kann die Erektion nicht halten.

Wenzel
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Re: Kein Hochgefühl beim Orgasmus - Ursache evtl Antidepressivum Sertralin

#18 Beitrag von Wenzel »

Hallo Profirudi,
ich kenne dieses Problem auch zur Genüge.
Nehme seit Jahren Venlafaxin...mit den Nebenwirkungen Erektions- bzw Ejakulationsstörungen.
Habe bisher immer versucht, das mithilfe "unserer Pillen" halbwegs auszugleichen....oft auch mit nur mäßigem Erfolg.
Wobei es bei mir mehr die Erektionsstörungen sind, mit denen ich kämpfe.
Ich habe aber auch schon festgestellt, dass es anscheinend sehr Tagesform-abhängig ist, wie gut (oder schlecht) die Mittel helfen.
Es kam zum Beispiel schon vor, dass ich bei 50mg Varden keinerlei Wirkung verspürt habe, oder dass ich 20mg Varden nahm (leichte Wirkung verspürt), wollte dann steigern mit Silden, mit dem Ergebnis, dass sich gar nichts mehr regte.
Und umgekehrt hatte ich mit 20mg Varden eine ausreichende Erektion für ein geiles Blaskonzert mit einem Mega-Orgasmus.
Will sagen, die Psycho-Mittel greifen auf jeden Fall sehr stark in den Potenz-Haushalt ein!
Ich bin deshalb dabei, von Venalfaxin auf Milnacipran umzusteigen, weil laut meines Arztes bei letzteren die Nebenwirkungen lange nicht so stark wären.

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Re: Kein Hochgefühl beim Orgasmus - Ursache evtl Antidepressivum Sertralin

#19 Beitrag von big-mike »

Wenn Männer Wert auf Weiber legen,
tun Sie's meist der Laiber wegen.

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jddf
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Re: Kein Hochgefühl beim Orgasmus - Ursache evtl Antidepressivum Sertralin

#20 Beitrag von jddf »

Artikel aus einer schweizer Tageszeitung zum Thema (Tages Anzeiger vom 25.08.2019, Online nur für Abonnenten), hier Cut and Paste:

Ziemlich verzweifelt sitzen die Patienten in der Sprechstunde von Roberto Cosimo Melcangi: «Das Gefühl ist weg, die Lust ist weg, so erzählen mir die Männer von ihren Problemen», sagt der Endokrinologe. Sex sei nur noch eine ferne Erinnerung. «Und diese Männer», sagt Melcangi, «sind nicht im fortgeschrittenen Alter, sondern zwischen zwanzig und dreissig Jahre alt.» Der Hormonspezialist forscht an der Universität Mailand zu einem Leiden, über das man noch nicht allzu viel weiss, das die Europäische Arzneimittel-Agentur (EMA) aber kürzlich offiziell als Krankheitsbild anerkannt hat.

PSSD heisst die Störung, die Abkürzung steht für «Post-SSRI Sexual Dysfunction». Betroffen sind Menschen, die Serotonin-Wiederaufnahmehemmer (SSRI) eingenommen haben, also Medikamente gegen Depressionen. Bei einigen Patienten lösen diese Antidepressiva lang anhaltende sexuelle Störungen aus, die selbst dann nicht weggehen, wenn die Betroffenen die Arz­neien längst abgesetzt haben.

Medikamente gegen Depressionen gehören in der Schweiz mit zu den am häufigsten verschriebenen Mitteln.

Medikamente gegen Depressionen gehören in der Schweiz mit zu den am häufigsten verschriebenen Mitteln. Knapp zehn Prozent der Bevölkerung bekommen im Laufe eines Jahres ein Rezept für ein Antidepressivum. Das zeigt eine im Juni erschienene Studie der Universität Zürich und der Krankenkasse Helsana.

Die EMA fordert die Hersteller der verschiedenen SSRI nun auf, ihre Packungsbeilagen mit einem entsprechenden Warnhinweis auf PSSD zu ergänzen. Auf Anfrage sagt Swissmedic-Sprecher Lukas Jaggi, dass die Anpassung auch in der Schweiz durchgesetzt werde.

Man weiss schon lange, dass die SSRI, während ein Patient sie einnimmt, hemmend auf die sexuelle Lust wirken können. Teilweise wurden die SSRI wegen ihrer lusthemmenden Wirkung sogar verschrieben, wenn Männer an vorzeitigem Samenerguss leiden. In der Regel verschwinden Nebenwirkungen jedoch, wenn Patienten ihre Medikamente absetzen. Nicht so bei PSSD. «Deshalb ist die Störung auch so beunruhigend», sagt Melcangi. Sie kann Jahre dauern.

Fallberichte von PSSD tauchen bereits seit mehr als 10 Jahren auf. Meist jüngere Männer und Frauen berichten von fehlender Lust, kaum spürbaren Orgasmen, Erektionsstörungen, reduzierter Sensibilität oder sogar von Taubheitsgefühlen an den Genitalien. In einer holländischen Studie aus dem Jahr 2014 schilderten die Forscher den Fall eines 43-jährigen Mannes, der nach dem Absetzen der SSRI unter Taubheitsgefühlen an den Genitalien litt. Die Störung war so ausgeprägt, dass der Mann seinen Penis mit Tigerbalsam einreiben konnte, ohne viel zu spüren. Eine Studie der US-Universität Tulane in New Orleans kam 2018 zum Schluss, PSSD sei eine «lähmende Störung, die die Lebensqualität herabsetzt», und man brauche mehr Forschung.

Die Wissenschaftler haben erste Erklärungsansätze, was im Gehirn der Betroffenen abläuft. Im Tiermodell lässt sich das Ganze nicht leicht studieren, weil der Mensch ein weitaus komplexeres Paarungsverhalten hat als die Maus. Sexuelle Erregung und Lustgefühle finden im menschlichen Gehirn beispielsweise in anderen Arealen statt als die Kontrolle der Geschlechtsorgane. Auch zwischen Frauen und Männern gibt es Unterschiede, welche Areale bei sexueller Erregung aktiv sind.

«Wir vermuten, dass es eine gewisse Dunkelziffer der an PSSD Erkrankten gibt, weil viele nicht gerne über ihre sexuellen Probleme sprechen.»Roberto Cosimo Melcangi

Um Erregung in Nervenzellen weiterzuleiten, spielen Natriumkanäle in der Zellmembran eine wichtige Rolle. «Man vermutet, dass es durch die SSRI zu Veränderungen der Natriumkanäle kommen kann», sagt Yacov Reisman, Urologe an der Universität Amsterdam, der ebenfalls eine Studie zu PSSD verfasst hat. Auch epigenetische Veränderungen stünden zur Debatte, also Veränderungen in der Aktivierung und der Deaktivierung von Genen, die am Prozess beteiligt sind.

Zahlen zu PSSD gibt es noch keine. Die Störung ist selten. Das Schwierige für Ärzte und Patienten ist die Unberechenbarkeit der Situation. Niemand weiss im Vorfeld, wer bleibende sexuelle Störungen entwickelt und wer nicht. Eine englische Forschergruppe publizierte letztes Jahr einen Bericht, in dem die Wissenschaftler 300 Fallberichte gesammelt hatten. «Das Problem bei PSSD ist, dass wir bisher nur die Erfahrungen der Patienten als Basis haben und keine randomisierten Studien», sagt Roberto Cosimo Melcangi. «Wir vermuten, dass es eine gewisse Dunkelziffer gibt, weil viele nicht gerne über ihre sexuellen Probleme sprechen.»

Das zeigte sich auch bei der Erforschung von sexuellen Störungen während der SSRI-Einnahme. Als die Forscher in einer Studie zum Thema gezielt nach Problemen mit der Sexualität fragten, schnellte der Prozentsatz der Betroffenen von 5 bis 15 auf rund 60 Prozent aller Befragten. In der Schweiz ist PSSD bisher noch kein Thema in der Forschung. «Ich habe mich mit Kollegen und Kolleginnen über das Thema unterhalten, und wir alle haben den Eindruck, dass PSSD sehr selten vorkommt», sagt Psychiatrieprofessor Erich Seifritz, Direktor und Chefarzt an der Klinik für Psychiatrie, Psychotherapie und Psychosomatik der Psychiatrischen Universitätsklinik Zürich. Grundsätzlich sei jedoch zu wenig erforscht, was mit Patienten, die erfolgreich mit Antidepressiva behandelt worden seien, nach dem Absetzen der Medikamente geschehe, sagt Seifritz.

Taubheitsgefühle

Depressionen sind komplex und nicht leicht zu behandeln. Die Ärzte müssen häufig mehrere Substanzen bei einem Patienten ausprobieren, bis sie ein Medikament finden, das Linderung verschafft. Dass Menschen auf die SSRI so unterschiedlich reagieren, erschwert auch die Erforschung von PSSD. «Es ist gut möglich, dass es eine gewisse genetische Disposition braucht, um PSSD zu entwickeln», sagt Melcangi. Auffällig sind Parallelen zu einer anderen Störung, hinter der ebenfalls die Nebenwirkung eines Medikamentes steckt: Finasterid ist ein Mittel, das Männer gegen Haarausfall schlucken.

Schon länger gibt es Kritik daran, dass Ärzte in der Schweiz so häufig SSRI verschreiben.

Sexuelle Probleme und fehlende Lust gehören aber auch zum Krankheitsbild von Depressionen, was die Ursachenforschung weiter erschwert. Allerdings tritt PSSD ebenso bei Patienten auf, die ihre Behandlung mit Antidepressiva erfolgreich abgeschlossen haben. Zudem scheinen es vor allem die Taubheitsgefühle zu sein, die spezifisch für SSRI und für PSSD sind. Zu der internationalen Gruppe von Wissenschaftlern, die die EMA nun mit einem langen Forschungsbericht zum Handeln aufforderte, gehören auch Mitglieder des renommierten unabhängigen Forschernetzwerks Cochrane. Cochrane veröffentlichte im Juli zudem eine Auswertung verschiedener Studien zu den SSRI. Dabei zeigte sich, dass die Medikamente in der Auswertung, vor allem bei leichteren Formen von Depressionen, nicht besser abschnitten als Placebo. Schon länger gibt es Kritik daran, dass Ärzte in der Schweiz so häufig SSRI verschreiben.

«Ich habe nie verstanden, ­warum die SSRI in der Schweiz so beliebt sind», sagt Gregor ­Hasler, Professor für Psychiatrie und Psychotherapie an der Universität Freiburg. Es gäbe auch andere Medikamente gegen ­Depressionen. Gerade bei jüngeren Menschen wäre er sehr zurückhaltend, SSRI zu verschreiben.

Depressionen zu behandeln, ist wichtig. Es sind bedrohliche Krankheiten, die grosse Auswirkungen auf das gesamte Leben und das Umfeld eines Kranken haben und ein Risikofaktor für Suizide sind. Wer an einer schweren Depression leidet, für den ist fehlende sexuelle Lust meist nicht das Hauptproblem. Deshalb ist es im Einzelfall immer ein Abwägen, wie dringlich die Behandlung ist und wie belastend die Nebenwirkungen. Aber alle Experten sind sich einig: Zu PSSD braucht es unbedingt klinische Studien.
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